: Werner Schlegel Neue Arbeiten

Ausstellung im Museum Abtei Liesborn von 15. September - 3. November 2013

Der Holzbildhauer Werner Schlegel ist von stupender Schaffens- und Erfindungskraft. In der Ausstellung im Abteimuseum stellt er eine Vielzahl von Arbeiten – Stand- und Wandskulpturen – vor, die er erst in diesem Sommer entworfen, geschnitten und durchgestaltet hat. Werner Schlegel führt mit diesen jüngsten Werken folgerichtig und treffsicher seine seit langem verfolgten, Gattungsgrenzen übergreifenden künstlerischen Untersuchungen weiter, in denen er Bildform und skulpturales Objekt miteinander unlösbar verschmilzt. Seine wie stets verhaltenen Bild-Objekte oder Objekt-Bilder bieten die Gelegenheit zu einer Vielzahl überraschender Wahrnehmungen und unerwartbarer Sichten – eine stille Schule ästhetischer Kontemplation und visuellen Vergnügens.

 

Eine Katalog zur Ausstellung ist zum Preis von 20 € erhältlich.

 

Rede zur Vernissage von Dr. Manfred Strecker:

"Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie in dieser Doppelausstellung mit „Neuen Arbeiten“ von Werner Schlegel und mit „Malerei“ von Nicole Schlegel. Die Gleichheit der Nachnamen dieser beiden Kunstschaffenden ist nicht zufällig. Nicole Schlegel und Werner Schlegel sind Eheleute. Es gibt zwar einige wenige Beispiele  in der Kunstwelt, dass Paare an einem gemeinsamen Werk arbeiten (Anna & Bernhard Blume als prominentes Beispiel) – bei den beiden Schlegels ist das nicht der Fall. Jedes der Werke, die ich Ihnen, meine Damen und Herren, vorstellen möchte, ist ein selbstständiges, eigensinniges Werk. Bei einer Einführung ist der Augenschein der Kunst zur Beglaubigung unverzichtbar. Ich werde also zunächst über die Kunst Werner Schlegels sprechen, die in diesem Raum konzentriert ist. Und ich werde Sie, meine Damen und Herren, in wenigen Minuten bitten, mir in die Ausstellung von Nicole Schlegel zu folgen.

Zwei Ausstellungen in einer Vernissage – keine Sorge, meine Damen und Herren, ich werde mich kurz halten, ich werde dabei natürlich manche Aspekte übergehen müssen. Im Fall von Werner Schlegel ist das auf jeden Fall zu verschmerzen. Die Ausstellung hier im Museum Abtei Liesborn, die der Kreiskunstverein Beckum-Warendorf mitveranstaltet – der Künstler ist unlängst 60 Jahre alt geworden –, diese Ausstellung beendet eine lange Tour von Werner Schlegels Werken in sechs Stationen von Iserlohn über Bremen bis hierher. Die Wanderausstellung wird von einem aufschlussreichen Katalogbuch begleitet, in dem sich Vieles nachlesen und nachschauen lässt, was ich nicht weiter vertiefen kann. Einen Wermutstropfen gibt es dabei freilich doch, was sich jedoch als eine Auszeichnung des Künstlers erweist. Der Ausstellungstitel über Schlegels Werken spricht ziemlich allgemein von „neuen Arbeiten“. Das ist bei diesem Künstler aber stets denkbar wörtlich zu nehmen. Die meisten der Werke, die Sie hier sehen, sind in diesem Jahr, viele davon in den gerade vergangenen Sommerwochen entstanden. Diese Werke sind im erwähnten Buch natürlich nicht verzeichnet. Aber anhand der Werk-Dokumentation dort lässt sich leicht ersehen, dass Werner Schlegel in diesen neuesten Arbeiten seine ästhetischen Untersuchungen einfallsreich, spielerisch und konsequent fortgeführt hat.

Zum Glück zeigt Werner Schlegel aber auch einige seiner älteren Werke. Immerhin ist diese Ausstellung die erste große Präsentation in seinem unmittelbaren beruflichen Wirkungsbereich. Werner Schlegel lehrt – wiederum neben dem 60. Geburtstag sozusagen ein Jubiläumsdatum – seit 30 Jahren Kunst am Gymnasium Johanneum in Wadersloh. Anhand dieser älteren Werke lässt sich ein Entwicklungsbogen ziehen, für den es zur Beglaubigung eine Überfülle hier nicht gezeigter Werkbeispiele gäbe.

Werner Schlegel ist Holzbildhauer. Vor – sagen wir – fünfzehn, zwanzig Jahren interessierte ihn in erster Linie die Form- und Raumwirkung von Holzobjekten, die er meist mit der Kettensäge aus mächtigen Holzstämmen herausgeschnitten hat. In diese Werkphase fällt die Auseinandersetzung mit klassischen Problemen der Bildhauerei – wie steht ein bildhauerisches Objekt im Raum, wie lasten die Volumen aufeinander, wie steht es um die Frage eines Sockels. Ein Beispiel dafür bieten die auf Stahlgestellen gesetzten Stapel aus Holzkörpern. Man kann an diesem Werk ein durchgängiges, immer wieder überraschend neu ausgedeutetes ästhetisches Prinzip der Arbeitsweise von Werner Schlegel erkennen: das Spiel mit Unterschieden und ihrer  Kontrastierung – Materialunterschiede von Holz und Stahl etwa bei den Stapeln, die Kontrastierung von Kante und Rundung, von geometrischer Konstruktion und handwerklicher Formung.

Wie das Arrangement der Stapel tragen viele der Arbeiten aus dieser Phase über die rein ästhetische Formgebung hinaus eine lebensweltliche Bedeutung. Die Stapel etwa spielen an auf das Lagern von Gebrauchsmaterialien, von Rohlingen, von Fertigstücken. Noch deutlicher spricht die Form bei der Skulptur des Tisches, einem archaisch wirkenden Objekt, ingeniös gefügt aus drei massiven Holzelementen. Dieser Tisch hat sich über die Jahre als ein Hauptwerk Werner Schlegels herausgestellt. Vor allem in den Kirchen wurde erkannt, dass sich der Tisch als Altar eindrucksvoll in den Mittelpunkt von Kultus und Liturgie stellen lässt – als ein Symbol der Tischgemeinschaft, des Abendmahls, das die urchristlichen Gemeinden stiftete.

Eine Vielzahl von Kirchengemeinden haben bei Werner Schlegel mittlerweile  die Ausstattung ihrer Kirchen mit dem Tisch als zentralem Objekt in der Rolle des Altars in Auftrag gegeben.

Ich hatte vorher gesagt, dass Skulpturen wie die Stapel oder der Tisch bzw. Altar einen Ausgangspol des Entwicklungsbogens im Werk Werner Schlegels darstellen. Schon bei vielen Stücken aus dieser Werkphase interessierten den Bildhauer – vielleicht erst beiläufig – auch die Oberflächen der Volumen, und zwar hinsichtlich der malerischen Licht- und Schattenwirkungen, die die Arbeitsspuren der Kettensäge mit deren Furchen und Graten im Spiel des sich wandelnden Tages- und Kunstlichts erzeugen.

Vielleicht aus solchen Anstößen heraus hat Werner Schlegel mehr und mehr Objekt- und Bildkunst ineinander verschränkt, sodass wir heute in den meisten der Werke des Künstlers Hybride, also Bild-Körper vor uns haben. Wir sehen also Kunstwerke, in denen sich bildhauerische Raumideen und malerische Bildideen unlösbar miteinander verbinden, sich gegenseitig verstärken. Uns begegnen Kunstwerke, in denen sich die Wirkungen von Volumen aus Schachtelung, Krümmung, Oberflächenbrüchen und Flächenverwerfungen wiederspiegeln in malerischen Momenten, die sich vergleichbaren Gestaltungsprinzipien der Flächenkunst verdanken, nämlich rhythmischer Reihung und Wiederholung in skripturalen und geometrischen Elementen, in Flächenschichtungen, die Raumsuggestionen vermitteln, in abwechselnden Negativ- und Positivformen, im changierenden Schmelz der (Un-)Farbe Altweiß, die Werner Schlegel gerade in seinen jüngsten Arbeiten nutzt.

Solche Beobachtungen an den ästhetischen Mitteln in Raum- und Bildkunst – beglückend, wenn man dafür ein Sensorium ausgebildet hat – muss ich Ihnen, meine Damen und Herren, angesichts der knapp bemessenen Einführung ohne weitere Kommentierung selbst überlassen. Die Ausstellung heute zeichnet sich dabei dadurch aus, dass Sie diese Hybridisierung von Raum- und Flächenkunst, wie ich es nennen möchte, in den unterschiedlichen künstlerischen Medien und Ausprägungen verfolgen können.

Wir sehen Arbeiten auf Papier, Collagen, mit suggestiven Raumwirkungen und verführerischer Haptik aus manchen der Collagematerialien. Wir sehen großformatige Bildtafeln, in denen sich beispielsweise die übergreifende zeichnerische Struktur aus Reliefstrukturierungen ergibt. Wir sehen Wandobjekte, in denen die raumbildenden Formen nun dreidimensional aus dem Bildraum hervorspringen. Und wir haben hier eine frei im Raum stehende Vollplastik, die zu erkunden ein besonders ästhetisches Vergnügen bereitet. Denn wir erfahren an dieser Skulptur, wie alle Erwartungen darüber, wie sich das Volumen und dessen Oberfläche auf der unserem Blick abgewandten Seiten der Plastik darstellen müsste, bei weiterem Herumgehen überraschend enttäuscht werden.

Bevor ich in der ersten unserer beiden Ausstellungen heute zum Ende kommen, möchte ich Sie noch auf eine Werkgruppe von Kleinplastiken aus Holz und teils in Farbe gefasst hinweisen, die eine gewisse Sonderstellung in dieser Ausstellung einnimmt und aus der Werner Schlegel zwei Jahresgaben für den Kreiskunstverein Beckum-Warendorf im Bronzeguss genommen hat. Während Werner Schlegel in den zuvor erwähnten Werken Objektkunst mit Bildkunst verschränkt, nimmt er mit diesen kleinen und doch so modellhaften, großmaßstäblich wirkenden Plastiken eine andere Untersuchungsrichtung, und zwar die Richtung vom wie auch immer differenzierten singulären Raumobjekt zur integrierten Raumkonfiguration, die die Architektur erarbeitet. Diese Kleinplastiken, jede reizvoll als Objekt in sich, lassen sich als architektonische Phantasien lesen, geradezu als Entwürfe zu einem städtebaulichen Vorzeige- und Musterensemble, wie es vor Jahrzehnten etwa im Berliner Hansa-Viertel realisiert worden war. Und diese Werkgruppe bezeugt wie alle anderen Arbeiten dieser Ausstellung auch die meisterhafte künstlerische Souveränität Werner Schlegels, mit wenigen künstlerischen Gestaltungseingriffen und Variationen ästhetisch überzeugende Lösungen zu finden.

So viel zu dieser Werner Schlegel gewidmeten Ausstellung. "     

 

 Zurück zur Übersicht