Zwischen Reformation und Gegenreformation: Transformationsprozesse der Bursfelder Kongregation im ‚langen‘ 16. Jahrhundert

Dissertationsprojekt im Rahmen des SFB 1369 ‚Vigilanzkulturen‘ der Ludwig-Maximilians-Universität München

Die Abtei Liesborn gehörte ab 1464 der Bursfelder Kongregation an, einer benediktinischen Reformkongregation, die bis zum Beginn der Reformation über 90 Männerklöster umfasste. Für Liesborn finden sich bis 1780 Nennungen in den Generalkapitelsrezessen der Union.[1] Nachdem der Beitritt vonseiten des Bischofs zunächst erzwungen werden musste, erlebte das Kloster durch die Reform eine Blütezeit, welche sich in der strengeren Regelauslegung, einer Steigerung der klösterlichen Einkünfte infolge besserer Güterverwaltung und einer regen Bautätigkeit zeigte. Von Liesborn aus gelangte die Bursfelder Reform zudem in die umliegenden Klöster wie das Kloster St. Aegidii, außerdem Marienfeld und Überwasser in Münster.

Während des 16. Jahrhunderts blieb auch die Abtei Liesborn nicht von den konfessionellen Konflikten unberührt, die unter anderem mit der Annäherung des Abtes Anton Kalthoff (1522 bis 1531) an die Täufer hinter die Klostermauern eindringen konnten. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts kamen zudem wirtschaftliche Schwierigkeiten hinzu, sodass der Abtei sowohl vonseiten des Bischofs als auch vonseiten des Generalkapitels der Bursfelder Nachlässigkeit, Unordnung und wüstes Leben konstatiert wurde.[2]

Ziel des Dissertationsprojekts ist es, sich von dem in der Forschung weit verbreiteten Narrativ einer ‚Blüte‘ der reformierten Klöster des ausgehenden 15. Jahrhunderts und ihres ‚Niedergangs‘ infolge der Reformation zu entfernen und stattdessen anhand ausgewählter Fallbeispiele aufzuzeigen, welche Konstanten die Reformen der Bursfelder Observanz schufen. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1369 ‚Vigilanzkulturen‘ der LMU München interessiert sich das Teilprojekt hierbei insbesondere für die enge Verflechtung von individueller und kollektiver Verpflichtung einerseits und institutioneller Kontrolle andererseits.

 

Tamara Klarić, M. Ed., studierte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Geschichte und Germanistik auf Gymnasiallehramt. Nach ihrem Abschluss wechselte sie an die Ludwig-Maximilians-Universität München, wo sie seit Juli 2023 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilprojekt A07 ‚Zwischen Selbstverpflichtung und Kontrolle: Vigilanz in benediktinischen Klöstern der Vormoderne‘ (Leitung: Dr. Iryna Klymenko und Prof. Dr. Julia Burkhardt) des SFB 1369 ‚Vigilanzkulturen‘ zur Bursfelder Kongregation im 16. Jahrhundert forscht.

 

Zum Projekt: Unter der Leitung von Dr. Iryna Klymenko und Prof. Dr. Julia Burkhardt entstehen im Teilprojekt A07 ‚Zwischen Selbstverpflichtung und Kontrolle: Vigilanz in benediktinischen Klöstern der Vormoderne‘ zwei Dissertationen, die Vigilanz in benediktinischen Klöstern der Vormoderne am Beispiel der Bursfelder Kongregation zwischen ca. 1400 und 1618 analysieren. Im Zentrum steht die enge Verflechtung von individueller und kollektiver Verpflichtung und institutioneller Kontrolle. Ausgehend davon untersucht das Teilprojekt in diachron und regional vergleichender Perspektive Konstellationen der Vigilanz und ihre Dynamiken vor dem Hintergrund geistlicher Reformdebatten sowie ihren Ausprägungen im vorreformatorischen, reformatorischen und konfessionellen Zeitalter.
Im Zentrum der zweiten Dissertation, die von John Hinderer, M.A., bearbeitet wird, steht zudem ein Vergleich mit der italienischen Reformkongregation von St. Giustina.

 


[1] Vgl. Ziegler, Walter: Die Bursfelder Kongregation. In: Germania Benedictina Bd. 1: Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum, S. 315-407, hier S. 390f.

[2] Staatsarchiv Münster Msc. I 32a Bl. 56-58, zit. nach Müller, Helmut: Das Kanonissenstift und Benediktinerkloster Liesborn. In: Germania Sacra NF 23, 5 hier S. 81.