Forschungskooperation mit der LMU München

In den Jahrzehnten um 1500 erfuhr die in der Diözese Münster gelegene Benediktinerabtei Liesborn einen tiefgreifenden Wandlungsprozess. Der Amtsantritt Heinrichs von Kleve als Abt im Jahr 1464 markiert den Anschluss des Klosters an die Bursfelder Reform, zu deren Verankerung im westfälischen und niederrheinischen Raum Liesborn im Laufe der folgenden Jahrzehnte signifikante Beiträge leistete. Gleichzeitig sind für das letzte Drittel des 15. und die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts eine Konsolidierung der ökonomischen Verhältnisse der Abtei Liesborn, ein deutliches personelles Anwachsen des Konvents sowie eine Tendenz zur verstärkten Aufnahme nichtadeliger Konventualen feststellbar. Hinzu kam die Weihe der nach einem Brand 1353 neu errichteten spätgotischen Klosterkirche, für die der namentlich nicht bekannte „Meister von Liesborn“ einen künstlerisch anspruchsvollen Hochaltar schuf. Auch wurde die Klosterbibliothek enorm erweitert und es waren vor allem historiographische Werke, die als frühe Inkunabeldrucke ihren Weg in die Regale fanden. Zu den Zeitzeugen dieser Veränderungsprozesse zählte auch der seit spätestens 1490 dem Liesborner Konvent angehörende und bis in die 1530er Jahre dort nachweisbare Chronist Bernhard Witte, für dessen historiographische Schriften das soziale und ideengeschichtliche Umfeld der Abtei während dieser Jahrzehnte einen wesentlichen Aspekt des Entstehungskontexts bilden.

Derzeit sind am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München mehrere Dissertationsprojekte in Vorbereitung, die sich intensiv mit jener Phase der Liesborner Klostergeschichte auseinandersetzen.

Die Urkunden des Klosters zwischen 1464-1522

Maximilian Schwarz befasst sich im Rahmen seiner Promotion mit einem bislang nur oberflächlich erschlossenen und in der Forschung wenig genutzten Quellenkorpus, nämlich den in der Liesborner Überlieferung tradierten Urkunden aus den Amtszeiten der Äbte Heinrich von Kleve (1464-1490) und Johannes Schmalebecker (1490-1522). Ziel ist eine historisch-kritische Edition eines Teils des Bestandes sowie die Erstellung von Regesten für alle nicht edierten Urkunden desselben. Bei der Auswahl der zu edierenden Urkunden finden solche mit besonderer Aussagekraft hinsichtlich der Biographien und personalen Netzwerke zentraler historischer Akteure priorisiert Beachtung. Eigene Studien auf Basis des in dieser Weise erschlossenen Materials sind im Rahmen der Promotion ebenfalls vorgesehen.

Edition und Erforschung der "Historia Westphaliae"

Im Mittelpunkt der Abschlussarbeit von Helen Haniel steht die Historia antiquae occidentalis Saxoniae seu nunc Westphaliae von Bernhard Witte, die bislang nur selten und meist mit eher negativen Bewertungen in der geisteswissenschaftlichen Forschung berücksichtigt wurde. Dennoch stellt die zwischen den Jahren 1495 und 1534 in neun Büchern verfasste Chronik des Liesborner Mönchs die älteste zusammenhängende Geschichtsdarstellung Westfalens dar und ist daher in vielfältiger Weise von besonderem Wert. Ausgesprochen interessant erscheint dabei vor allem das neunte Buch, das die Ereignisse der Jahre 1488 bis 1520 behandelt, die Wittes eigene Lebenszeit betreffen und die er als Zeitzeuge miterlebt hat. Ziel des Projekts ist es daher, die von Witte genutzten historiographischen und hagiographischen Quellen systematisch aufzuarbeiten und darüber hinaus die HistoriaWestphaliae erstmals zu edieren.