Die Abtei Liesborn gilt als eines der ältesten Klöster in Westfalen. Der Legende nach gründete Kaiser Karl der Große (768-814) 799 bei seinem Treffen mit Papst Leo III. (795-816) in Paderborn ein Kloster in Liesborn. Der erste schriftliche Hinweis darauf stammt jedoch erst aus dem Jahr 1338 und sollte vielmehr die Bedeutung des Klosters erhöhen. Die Forschung nimmt heute an, dass das Liesborner Damenstift am Anfang des 9. Jahrhunderts gegründet wurde.
Über die Zeit von der Gründung des Frauenstifts bis zu seiner Umwandlung in ein Männerkloster – also von etwa 850 bis 1130 – wissen wir nicht viel. Neben einer Urkunde Heinrichs II. (1002-1024) aus dem Jahr 1019 ist ein Nekrolog überliefert. Darin sind die Namen und Sterbedaten der 13 Äbtissinnen, weiterer Stiftsdamen und der beiden Männer Boso und Bardo, die vermutlich die tatsächlichen Stifter des Klosters gewesen sind, verzeichnet. Die genaue zeitliche Reihenfolge dieser Liesborner Äbtissinnen ist umstritten. Lediglich die legendäre Rotswindis gilt gemeinhin als die erste Amtsträgerin und die drei letzten Vorsteherinnen des Klosters lassen sich zeitlich genauer verorten und werden mehrfach in dieser Reihenfolge – Berthildis, Oderadis und Thidetrudis – genannt.
Oderadis ließ Ende des 11. Jahrhunderts den Turm der Klosterkirche, der noch heute steht, bauen. Mit Berthildis ist die drittletzte Äbtissin des Stifts Liesborn gemeint, die um die Mitte des 11. Jahrhunderts amtierte. Das von ihr gestiftete Liesborner Evangeliar ist eine der ältesten, vollständig erhaltenen Handschriften Westfalens.
Die Umstände der Aufhebung des Frauenstifts 1130 können bis heute nur vermutet werden. Zwar warf Bischof Egbert in der Gründungsurkunde für den Benediktinerkonvent von 1131 den Kanonissen Disziplinlosigkeit vor, jedoch könnten auch politische Erwägungen in den Nachwehen des Investiturstreits entscheidend gewesen sein. Während Bischof Egbert in der Frage der Einsetzung von Bischöfen auf der Seite des Papstes stand, schien das Liesborner Stift die Interessen des Kaisers vertreten zu haben. Da es aber der Herrschaft des Münsteraner Bischofs unterstand, könnte die Disziplinlosigkeit für Egbert durchaus in der Kaisertreue der Kanonissen bestanden haben.
Daraufhin wandelte der Bischof das Damenstift in einer Benediktinerkloster umwandeln. Beinahe 700 Jahre lang lebten und wirkten in Liesborn Mönche, bis die Abtei am 3. Mai 1803 durch preußische Beamte im Zuge der Säkularisation aller Stifte und Abteien im Königreich aufgehoben wurde.