Die Kruzifixsammlung, zu der Werke von so namhaften Künstlern wie Francis Bacon, Joseph Beuys, Marc Chagall und Salvador Dali gehören, ist einmalig in Rang und Umfang. Sie zählt mehr als 800 Objekte. Die Exponate sind chronologisch gehängt und vermitteln einen Überblick über die Entwicklung der Kreuzigungsikonographie von der Romanik bis zur Gegenwart.
Der Rundgang beginnt mit einem fragmentarisch erhaltenen Großkruzifix aus dem 11. Jahrhundert, das aus dem Liesborn benachbarten Ort Diestedde stammt (Abb. 1). Der Typus des romanischen Kruzifixus wird darüber hinaus durch mehrere Bronzekruzifixe dokumentiert, die ursprünglich als Altar- und Vortragekreuze dienten. Christus steht als Sieger über den Tod und königlicher Erlöser mit offenen Augen vor dem Kreuz (Abb. 2). Sein Haupt ziert eine Königskrone. In diesen Darstellungen ist bereits der Auferstehungsgedanke enthalten. Erst mit der Gotik und der gewandelten Auffassung in der Kreuzestheologie ändert sich das Bild des Gekreuzigten. Sein Leiden wird betont. Er hängt nun mit übereinander genagelten Füßen am Kreuz. Anstelle der Königskrone trägt er eine Dornenkrone. Seine Augen sind geschlossen, der Kopf zur Seite geneigt. Aus der Seitenwunde fließt Blut. Die Darstellung von Christi Leiden und Tod kann äußerst drastisch sein. Das belegt ein Kruzifixus aus Holz, der um 1525 in der Werkstatt des Meisters von Osnabrück für die Klosterkirche in Liesborn geschnitzt wurde (Abb. 3). Erst mit Aufkommen der Renaissance erfolgt eine Abkehr von der Betonung körperlicher Leidensmerkmale.
Giambologna – einer der bedeutendsten Bildhauer Europas
Ein Hauptwerk der Kruzifixsammlung ist der um 1600 geschaffene Bronzecorpus von Giambologna (1529-1608) (Abb. 4). Giambologna war Hofbildhauer der Medici und schuf mit seinen Bronzekruzifixen Prototypen, die stilprägend für die nachfolgenden Künstlergenerationen waren. Giambolognas Darstellungen des Gekreuzigten zeichnet eine idealisierte Wiedergabe des Körpers aus. In ihrem himmelwärts gewandten Emporschrauben wirken die Corpora des Künstlers wie Auferstehungsbilder. Christi Leib scheint vor dem Kreuz zu schweben.
Das Kreuz als Paradigma des Leidens in der Kunst des 20. Jahrhunderts
Totalitäre Regime, Kriege und der Holocaust haben den christlichen Heilsglauben, für den der Opfer- und Erlösungstod Christi steht, im 20. Jahrhundert ins Wanken gebracht. Gleichwohl oder gerade deshalb greifen viele Künstler ausgerechnet die Kreuzigung Christi als Bildthema auf. Sie wird zum Symbol menschlichen Leidens schlechthin. Das gilt für Kreuzigungsdarstellungen des jüdischen Künstlers Marc Chagall ebenso wie für Otto Dix, dessen Gekreuzigter auf einer Lithographie aus dem Jahr 1949 in fassungslosem Entsetzen hilflos in die Welt starrt, die er erlösen wollte. Ob würden Christi selbst Zweifel am Erlösungsgedanken kommen und er sich die Frage stellen, ob das Opfer am Ende umsonst war.
Wo war Gott in Auschwitz?, lautet die anklagende Frage, die die 1928 in Wuppertal geborene Jüdin Doris Pollatschek in ihrem „Triptychon für Auschwitz“ formuliert.
Am Ende der Ausstellung hängt ein großes leeres Kreuz frei im Raum. Es wurde von der Düsseldorfer Künstlergruppe "new rose factory" im Jahr 2004 geschaffen Unter dem verlassenen Kreuz liegt eine Dornenkrone und ein Zettel mit einer handschriftlichen Notiz: „Bin weder über Handy noch E-Mail erreichbar.“ Unlängst hat ein Besucher noch einen Zettel dazu gelegt, auf dem stand "wohl aber durch's Gebet!!!"
CORPUS CHRISTI
Rheinland, erste Hälfte des 13. Jahrhunderts
Bronze, hinten hohl, Kopf massiv, Spuren von Vergoldung
19,5 x 16,3 cm
Leihgabe: LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Bestand Bistum Münster
Inv. Nr. 82/315
CORPUS CHRISTI
Deutschland (?), 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts
Bronzehohlguss mit Resten einer Vergoldung
16 x 14,5 cm
Leihgabe des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Bestand Bistum Münster
Inv. Nr. 82/311
VORTRAGEKREUZ
Skandinavien, wahrscheinlich Schweden, um 1120
Corpus Bronze; Kreuz Kupfer,
beide mit Resten einer Vergoldung
37,1 x 22,1 x 8,8 cm
Blumka Gallery, New York
Erworben mit der Unterstützung der Freunde des Museums Abtei Liesborn e. V.
Inv. Nr. 01/7 E
CORPUS CHRISTI
Ungarn, um 1200
Bronze
Bodenfund
10,7 x 9,8 x 1,7 cm
Inv. Nr. 01/14
ELFENBEINDIPTYCHON
Westfalen, Mitte 14. Jh.
Elfenbein, Rahmen silber, außen vergoldet. Die Zehen Christi abgebrochen, mehrere Risse im Elfenbein
Tafeln je 12 x 10 cm
Pfarrkirche St. Lambertus in Dolberg (Kreis Warendorf)
Leihgabe des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Bestand Bistum Münster
Inv. L 82-312
CORPUS CHRISTI
Deutschland, um 1400
Bronze
13 x 12,7 cm
Inv. Nr. 84/81E
Kreuzigungsgruppe
Thüringen um 1430
Holz mit überwiegend originaler Polychromie
Kreuz: 83,5 x 44,5 cm
aus der Kapelle des Heilig-Geist-Spitals in Sangerhausen/Sachsen-Anhalt
Schenkung der Freunde des Museums Abtei Liesborn e.V.; erworben mit der Unterstützung der Sparkassen im Kreis Warendorf und der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege
Inv. Nr. 94/42E
VORTRAGEKREUZ
Florenz, um 1525
Bronze
45,8 x 35,3 cm
Erworben 1989 aus dem Kunsthandel
Inv. Nr. 89/34
STANDKREUZ
Spanien, um 1600
Bronze
51,5 x 17,5 x 15,5 cm
Erworben 1991 aus dem Kunsthandel
Inv. Nr. 91/11
wohl Jean Delcour
Hamoir 1631 - 1707 Liège
CORPUS CHRISTI
1670/80
Bronze, patiniert
36,0 x 20,5 cm
Erworben 1993 aus dem Kunsthandel
Inv. Nr. 93/13 E
PESTKREUZ
Süddeutsch, um 1700
Holz, polychromiert
72 cm x 67 cm
Schenkung der Sparkassen im Kreis Warendorf
Inv. Nr. 89/47
KREUZIGUNG MIT MARIA MAGDALENA AM FUSSE DES KREUZES
Westfalen, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
Holz, farbig gefasst
236 x 98 cm
Erworben in Brilon
Inv. Nr. 81/589
Josef Václav Myslbeck
Prag 1848 – 1922 ebenda
KRUZIFIX
Ahornholz, um 1910
197 x 77 x 29 cm
Erworben 1995 aus dem Kunsthandel
Inv. Nr. 95/103 E
Wilhelm Morgner
Soest 1891 – 1917 gefallen in Westflandern
KREUZIGUNG III
Tuschepinselzeichnung, 1915
18,5 x 27 cm
Schenkung der Freunde des Museums Abtei Liesborn e.V.
Inv. Nr. 86/111E
Bruder Reinold Teutenberg, OSB
Werl 1864 – 1935 Maria Laach
CORPUS CHRISTI
Eiche, vor 1920
Monogrammiert am Fußbrett
140 x 128 cm
Erworben aus dem Kunsthandel
Inv. Nr. 82/368 E
Heinz Bergkemper
Langenberg 1925 – 2001 Langenberg
CORPUS CHRISTI
Bronze, um 1975
78 x 55 cm
Geschenk des Künstlers
Inv. Nr. 81/591 E
Regina Liekenbrock
1925 geb. in Stromberg, wo sie lebt und arbeitet
KREUZ
Eisen, 1994
17,5 x 15,2 x 4
Geschenk der Künstlerin
Inv. 94/40E